MITTWOCH, 1. FEBRUAR 2006
FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND

Forscher suchen Energiemix der Zukunft
Windkraft, Brennstoffzelle, Kernfusion - Konzepte zur Nutzung alternativer Energien gibt es viele. Doch von den Tests im Forschungslabor bis zur Marktreife ist es oft ein langer Weg.
VON STEPHAN SIEBENBAUM

Noch sind es Öl, Gas und Kohle, die die Energieversorgung dominieren. Mit ihrer Hilfe werden rund 90 Prozent des Weltenergiebedarfs gedeckt. Doch angesichts der endlichen Ressourcen und des Klimawandels suchen Forscher weltweit nach alternativen Methoden zur Strom-, Wärme- und Kraftstofferzeugung. Die deutschen Regierungsparteien haben im Koalitionsvertrag vereinbart, die Ausgaben für die Energieforschung schrittweise zu erhöhen. Vor allem erneuerbare Energien sollen so konkurrenzfähiger werden. Zudem soll die Wissenschaft Fusions-Kraftwerke und Brennstoffzellen zu Alternativen für die Energieerzeugung ausbauen.

2004 hat der Bund 162Mio.E in die Erforschung regenerativer Energien gesteckt – fast 50 Prozent des gesamten Energieforschungsetats von 382 Mio.E. Besonders bei der Stromerzeugung soll ihr Anteil steigen - von 9,3 Prozent 2004 auf mindestens 20 Prozent 2020.

Dazu müssen die Techniken aber noch effektiver und preiswerter werden. Auch die Akzeptanz der Stromkonzerne gegenüber den regenerativen Energien muss steigen. So schwankt etwa die Erzeugung von Windstrom wegen der unregelmäßigen Windverhältnisse erheblich. Liefern die Windkraftwerke weniger Strom als erwartet, müssen die Netzbetreiber diesen Verlust durch Einspeisung von Regelenergie ausgleichen - das verursacht Kosten. Wenn die Abweichungen zu groß werden, kann die Stromversorgung sogar zusammenbrechen. "Die möglichst genaue Vorhersage der Windleistung ist ein entscheidender Faktor für die Netzstabilität", sagt Professor Jürgen Schmid, Leiter des Instituts für Solare Energieversorgungstechnik (ISET) in Kassel.

Forscher des ISET haben mit dem Deutschen Wetterdienst sowie den Stromkonzernen Eon und Vattenfall ein System entwickelt, mit dem sie die Windleistung für maximal 72 Stunden vorhersagen können. Der Prognosefehler beträgt heute durchschnittlich 5,7 Prozent bei der 24-Stunden-Vorhersage. "Wenn wir die Genauigkeit erhöhen, können mir die Windkraft auch mit Unterstützung der Netzbetreiber weiter ausbauen", sagt Schmid. Schon heute arbeiten Eon und Vattenfall erfolgreich mit dem Modell.

Strom aus Fusionskraftwerken wäre dagegen weit besser zu steuern. Die Anwendung der Technik liegt aber noch in weiter Ferne. "Frühestens in der zweiten Jahrhunderthälfte könnten kommerzielle Fusionskraftwerke einen bedeutenden Beitrag zur Stromversorgung leisten", sagt Alexander Bradshaw, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP). Die Kernfusion ist der Prozess, durch den die Sonne ihre Energie gewinnt. Dabei verschmilzt Wasserstoff zu Helium. Die frei werdende Energie ist enorm: Ein GrammWasserstoff setzt so viel frei, wie bei der Verbrennung von elf Tonnen Kohle entsteht.

Das IPP hat im vergangenen Jahr in Greifswald mit der Montage des 350 Mio.E teuren Versuchsreaktors Wendelstein 7-X begonnen. Hier wollen die Forscher eine Fusion zünden. Neben den Testanlagen JET im englischen Culham und ITER im französischen Cadarache gehört Wendelstein 7-X zu den weltweit bedeutendsten Fusionsexperimenten.

JET und ITER arbeiten nach dem Tokamak Prinzip. Das IPP testet in Wendelstein einen Reaktor des Typs Stellarator. Die Techniken unterscheiden sich in der Art, wie sie das über 100 Millionen Grad Celsius heiße Wasserstoffplasma magnetisch einschließen. Die Tokamak-Lösung ist schon weiter erforscht, hat aber einen Nachteil: Sie kann bisher nur im Pulsbetrieb laufen, der Stellarator dagegen erzeugt ein dauerhaftes Magnetfeld. Welches der Prinzipien ,sich am Ende durchsetzen wird, ist noch offen.

Offen ist auch, wann die Brennstoffzelle die Marktreife erreichen wird. Sie kann in dezentralen Kraftwerken und Hausanlagen Strom und Wärme erzeugen sowie Fahrzeuge antreiben. Die Energieumwandlung von Wasserstoff und Sauerstoff in einer Brennstoffzelle ist hocheffektiv und fast schadstofffrei. "Bevor wir die Technik aber kommerziell nutzen können, muss sie langlebiger, zuverlässiger und billiger werden", sagt Professor Detlef Stolten, Leiter des Instituts für Energieverfahrenstechnik am Forschungszentrum Jülich.

Forscher des Instituts haben einen Elektroscooter mit einer Direktmethanol-Brennstoffzelle konstruiert. Flüssiges Methanol als Brennstoff ist leichter zu erzeugen und zu lagern als gasförmiger Wasserstoff. Zur Hannover-Messe werden die Wissenschaftler ein Modell mit einer Betriebsdauer von 1000 Stunden vorstellen. "Für die Marktreife müssen wir 2000 Stunden erreichen", sagt Stolten. Davon seien sie nicht mehr weit entfernt: "Wir denken, dass wir die Technik, die sich zum Beispiel für den Antrieb von Gabelstaplern eignet, in fünf Jahren auf den Markt bringen können." Der zukünftige Energiemix könnte schon bald um eine Alternative reicher sein.

Ressourcen schonen und Geld sparen

Sparsamkeit Die Bundesregierung will die Energieproduktivität in Deutschland bis 2020 im Vergleich zu 1990 verdoppeln. Durch eine effizientere Energienutzung könnte der Primärenergieverbrauch in Deutschland bereits heute um ein Drittel sinken.

Kostenminderung Große Energiesparpotenziale gibt es zum Beispiel in kleinen und mittleren Unternehmen. Neben der Umweltentlastung kann die Nutzung von Energieeffizienztechnologien einen erheblichen Beitrag zur Senkung der Betriebskosten leisten.

Erneuerung Gleichzeitig soll der Anteil der erneuerten Energien stark steigen. Bis 2020 will ihn die Regierung bei der Strombereitstellung auf bis zu 20 Prozent heben, beim Primärenergieverbrauch soll er bis dahin auf zehn Prozent gestiegen sein.

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