Straubinger, 9.April 2005
Höchste Dramatik und pures Vergnügen
Zwei Spielfilme schmückten Bergwoche künstlerisch – Graßl komponierte Filmmusik

Furth im Wald. Gegensätzlicher als die beiden Filmabende der "Further Bergwoche" geht's wirklich nicht: Am Mittwoch gab's im Tagungszentrum zunächst den hochdramatischen, extrem spannenden DokuSpielfilm "Sturz ins Leere" und am Donnerstagabend war pures Vergnügen angesagt mit dem Stummfilm "Der große Sprung" von 1927.

"Sturz ins Leere" erzählt von einem Extremabenteuer zweier Bergsteiger, die das menschlich Mögliche neu definieren. Mit Freundschaft, Willen und Durchhaltevermögen trotzen sie Eis, Angst und Tod. Das filmische Tagebuch über eine wahre Begebenheit offenbart tiefste menschliche Potentiale in atemberaubenden Bildern. Kinokassenknüller wie "Cliffhanger" oder "Vertical Limit" sind dagegen lockere Spaziergänge.

Packendes Dokudrama

Der Film ist ein packendes Dokudrama über die gefährliche Erstbegehung der Westwand des 6 356 Meter hohen Siula Grande in den peruanisehen Anden. Josef Simson (im Film Brendan Mackay) und sein Freund Simon Yates (Nicolas Aaron) erzählen ihr fast tödliches Abenteuer, das sich im Mai 1985 ereignet hat. Der Überlebenskampf der beiden britischen Bergsteiger nimmt bis heute einen herausragenden und umstrittenen Platz in der Geschichte des Bergsteigens ein. Die Wertungen darüber polarisieren in höchstem Maß, sind emotional bis an die Schmerzgrenze.

Die Handlung: Erschöpft, aber euphorisch erreichen die beiden Freunde Simpson und Yates am dritten Tag den Gipfel. Der Abstieg scheint problemlos, bis Simpson abstürzt. Sein Kniegelenk ist zerschmettert, was in den Anden einem Todesurteil gleichkommt. Yates startet eine außergewöhnliche Ein-Mann-Rettungsaktion und seilt seinen Partner unter extremen Bedingungen ab. Schneegestöber machen Sicht und Kommunikation unmöglich. Die zweite Katastrophe folgt: Joe Simpson stürzt beim Abseilen über eine verborgene Klippe und bleibt hilflos in der Luft hängen.

Sein Gewicht zieht Yates langsam den Abhang hinunter. Ohne zu wissen, in welcher Lage sich Simpson befindet, muss er eine folgenschwere Entscheidung treffen, um selbst zu überleben. Er bricht ein Bergsteiger-Tabu und schneidet das Seil durch...

Für beide beginnt damit ein Albtraum.

Simon Yates glaubt seinen Freund tot und schafft es zurück ins Basislager. Joe Simpson stürzt in eine Gletscherspalte und steht dem physisch und psychisch Unmöglichen gegenüber. Obwohl eingeweihte Zuschauer den guten Ausgang des Dramas längst kennen, erreicht der Film spätestens hier eine schier unerträgliche Spannung.

Oscar-Gewinner Kevin Macdonald inszenierte "Sturz ins Leere" als filmisches Tagebuch. Die beiden Bergsteiger erzählen im Studio, während die Szenen am Berg nachgespielt werden. In atemberaubenden Bildern wird eine unfassbare Überlebensgeschichte lebendig, die die Grenzen des normalen Bergsteiger-Epos überschreitet und tiefste menschliche Gefühle und Potenziale offenbart.

Optisch wie akustisch ein Genuss
"Der große Sprung" ist im Gegensatz zur atemberaubenden Dramatik vom Vorabend ein über die Maßen liebenswerter Uraltstreifen voller Komik und Slapstick-Elemente. Die noch als Stummfilm gedrehte Geschichte handelt von der Liebe im Schnee, vom Balzen zweier verliebter Männer um die schöne Ziegenhirtin Gita (Leni Riefenstahl): Der tollpatschige Millionär Michael Treuherz (Hans Schneeberger) und der Naturbursch Toni (Luis Trenker) buhlen, mit wechselndem Erfolg um Hand und Herz der Schönen.

Dazwischen füllen so atemberaubende wie lustige Kletter- und Skiszenen die 112 Minuten prall aus; Langeweile kommt in keiner Sekunde auf. Das liegt natürlich nicht nur an den Schauspielern, sondern auch an der straffen Regie von Dr. Arnold Fanck und seinem witzigen Drehbuch. Der Enkel des Regisseurs, Matthias Fanck, gab zu Beginn der Vorstellung einen mit Dias unterfütterten Info-Vortrag über Leben und Arbeit des in seiner Zeit berühmten und hoch geschätzten Filmemachers, der als promovierter Geologe erst relativ spät zum Filmen kam, und der so bahnbrechende Erfindungen wie die Gummilinse, heute als Zoom-Objekt bekannt, entwickelte und auf den Weg brachte.

Die eigentlichen Stars des Abends waren aber nicht allein Leni Riefenstahl und Luis Trenker, noch der damals sehr populäre Schneeberger. Dass nämlich der Stummfilm zur vergnüglichen Unterhaltung und zum vollständigen Genuss wurde, ist wohl zum großen Teil Rudi Graßl, Lehrer an der Further Hauptschule, und dem Bohemiaflügel im ATT zu verdanken. Graßl, der ja nicht nur leidenschaftlicher Pädagoge ist, verfügt über beträchtliche musikalische Fähigkeiten. Beispielsweise komponiert und erarbeitet er jedes Jahr mit seinen Schülern eine Revue oder ein Musical, die stets bestens bei allen Altersgruppen ankommen.

Rudi Graßl hat sich im Vorfeld dieses Filmabends den Streifen mehrmals gründlich angesehen und eigenhändig nach guter, alter Art eine Begleitmusik komponiert, bzw. zusammengestellt, die das Ganze erst so richtig komplettiert. Da sitzt jede Szene, sind selbst Kleinigkeiten perfekt und im wahrsten Wortsinn "stimmig" getroffen. Und dass er ein Klassepianist ist und ein kreativer, humorvoller Kopf dazu, wissen jetzt einige Leute mehr.

Es sind aber auch das exakte Timing und die Konzentration und Kondition zu bewundern, mit der Graßl ohne innezuhalten jede Szene, fast zwei Stunden lang, musikalisch ausschmückt. Dass er dabei im Grunde kaum nach Noten spielen konnte, erklärt sich dadurch, dass er ja immer Film-Synkron, also stets auf Höhe des Geschehens sein musste und so keinen Blick auf Noten und Klavier erübrigen konnte - auch das war eine ganz tolle Leistung.

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