zurück

Straubinger, 20.Februar 2004

Vor 85 Jahren:Der Schöpfer des Freistaates starb von Mörderhand

Nur wenige wissen mit dem Namen Kurt Eisner noch etwas anzufangen

Der Mörder kam von hinten. Mit zwei Genickschüssen tötete der Leutnant und Jurastudent Anton Graf Arco-Valley auf offener Straße in München den Ministerpräsidenten Kurt Eisner. Der 51-jährige Begründer des Freistaates Bayern war sofort tot. An das Attentat vor 85 Jahren - am Vormittag des 21. Februar 1919 will die Münchner SPD heute erinnern. Die dazu an Eisners Grab vorgesehene Kranzniederlegung auf dem Jüdischen Friedhof wurde einen Tag vorgezogen, weil der Jahrestag des Mordes in diesem Jahr auf einen Sabbat fällt.

An das Attentat erinnert in der Münchner Innenstadt seit Jahren auch eine große Bronzeplatte. Sie wurde genau an der Stelle ins Trottoir eingelassen, an der Eisner starb. Achtlos gehen die meisten Passanten über das Denkmal hinweg. Nur wenige wissen mit dem Namen Eisner noch etwas anzufangen. Dabei war er der Begründer des Freistaates Bayern. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges verkündete er in einem Aufruf "An die Bevölkerung Münchens" in den "Münchner Neuesten Nachrichten" vom 8. November 1918: "Bayern ist fortan ein Freistaat." Der Begriff Freistaat stand dabei für Demokratie oder Republik. Die Monarchie der Wittelsbacher in Bayern war gestürzt. Damit war Bayern Vorreiter, denn erst am Tage darauf rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann in Berlin die Republik aus.

Zur Vorgeschichte des Umsturzes in Bayern gehörten Massenstreiks in kriegswichtigen Betrieben, an deren Vorbereitung Eisner mitgewirkt hatte, sowie zahlreiche Auftritte des begnadeten Redners und vor allem eine große Friedensdemonstration von mehr als 100000 Bürgern auf der Münchner Theresienwiese am 7. November 1918. Noch am Abend des gleichen Tages konstituierte sich im "Mathäserbräu" am Münchner Stachus als neues Staatsorgan ein Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat unter Vorsitz Eisners. Unmittelbar nach der Proklamation des Freistaats wurde eine neue Regierung gebildet. Der Sozialist Eisner übernahm das Amt des Ministerpräsidenten.

Als ihn sein Mörder im Jahr danach erschoss, war Eisner auf dem Weg in den Landtag und trug seine Rücktrittserklärung als Ministerpräsident in der Tasche. Denn bei der Landtagswahl vom 12. Januar 1919 hatte seine Partei, die USPD, eine bittere Niederlage erlitten und mit 2,5 Prozent der Stimmen nur drei von 180 Parlamentssitzen errungen. Dem Bild Eisners habe am meisten geschadet, dass er immer wieder mit der Münchner Räterepublik nach seinem Tode und dem Blutvergießen bei deren Niederschlagung in Zusammenhang gebracht werde, hat seine Enkelin, die Historikerin Freya Eisner, beklagt.

Manche bezeichnen es als eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet ein Preuße den Freistaat Bayern ausrief. Denn Eisner stammte aus Berlin.