Straubinger, 7.April 2005

Maut sorgt für Verlagerung des Lkw-Verkehrs
Drastische Zunahme auf einigen Bundesstraßen – Gebühr für Ausweichstrecken erwogen

Berlin. (AP/dpa) Die Einführung der Lkw-Maut auf Autobahnen vor drei Monaten hat vor allem in den großen Flächenstaaten punktuell zu erheblicher Verlagerung des Schwerverkehrs geführt. Offizielle Messungen ergaben punktuell eine Verdoppelung des Schwerverkehrs. Das geht aus einer Umfrage in Bundesländern, bei Autoklubs und Umweltschützern hervor. Das Bundesverkehrsministerium kündigte Ergebnisse der Verkehrszählungen für den Herbst an.

Ministeriumssprecher Michael Zirpel wies darauf hin, dass das Mautgesetz vorsehe, Ausweichstrecken neben den Autobahnen ebenfalls mit Maut zu belegen. Technisch sei das ab 1. Januar 2006 möglich. Zirpel erinnerte daran, dass der Vertrag mit dem Mautbetreiber Toll Collect die Verfügbarkeit einer neuen Software für die On-Board-Units in den Lastwagen für Januar vorsehe. Mit dieser könne dann das Netz der mautpflichtigen Straßen erweitert werden.

Dem steht technisch offenbar nichts im Weg: Toll-Collect-Sprecher Harald Lindlar sagte auf Nachfrage, die Arbeiten an der Software seien im Plan. Der Grünen-Verkehrsexperte Albert Schmidt kündigte im Bayerischen Rundfunk die Mautpflicht für Ausweichstrecken bereits an.

Der Verkehrsexperte des Bundes für Umwelt- und Naturschutz, Tilmann Heuser, verlangte ebenso wie mehrere Landesregierungen die Ausdehnung der Mautpflicht auf die Ausweichstrecken und ergänzte, seine Organisation fordere ohnehin auf lange Sicht Mautpflicht auf allen Straßen und für alle Gütertransporte.

Insgesamt ergaben die Umfragen, dass auf einigen Straßen tatsächlich drastischer Zuwachs des Lkw-Verkehrs zu verzeichnen ist. Das gilt in Norddeutschland etwa für den Ruhrschnellweg, einige Bundesstraßen in Sachsen-Anhalt und angrenzenden Teilen Niedersachsens sowie einzelne Strecken zur polnischen Grenze. Im Süden trifft es besonders die Parallelstrecken zu den Rheintalautobahnen bis hin nach Frankreich.

Auch in Bayern hat der Ausweichverkehr von Schwerlastern auf einzelnen Bundesstraßen erheblich zugenommen. Wie das bayerische Innenministerium mitteilte, stieg das Lkw-Verkehrsaufkommen insbesondere auf zwei Strecken stellenweise um bis zu 72 Prozent innerhalb der ersten drei Monate Mautbetrieb. Den Spitzenwert erreichte dabei die Bundesstraße 25 zwischen Dinkelsbühl und Nördlingen. Dieser Streckenabschnitt dient als Teil der Nord-Süd-Route mit der Bundesstraße 2 Nürnberg-Augsburg als Abkürzung und Umfahrung der Autobahnen 7 und 8. Bis zu 65 Prozent, das heißt um rund 400 auf über 1 000 Lastwagen pro Tag, stieg der Schwerverkehr an Meßstellen auf der gut ausgebauten, größtenteils parallel zur A 3 verlaufenden B 8 von Würzburg über Nürnberg und Regensburg nach Passau. Einen erheblichen Zuwachs verbuchte auch die B 304 bei Freilassing, wo der tägliche Lkw-Verkehr um 334 auf 1510 Fahrzeuge zunahm.

Ministeriumssprecher Zirpel verwies darauf, dass die Kommunen bereits jetzt mehrere Möglichkeiten von Nachtfahrverboten bis Kontrollen hätten, um die Ausweichstrecken unattraktiv zu machen.

 

Straubinger, 8.April 2005

Steuerausfälle in Milliardenhöhe möglich
EuGH-Urteil zur Verlustverrechnung bei Unternehmen könnte zu hohen Einbußen führen

Luxemburg/Berlin. (AP/dpa) Dem deutschen Staatshaushalt drohen neue Riesenlöcher auf Grund milliardenschwerer Steuererstattungen an die Wirtschaft. In der europäischen Rechtsprechung zeichnet sich ein Grundsatzurteil zur grenzüberschreitenden Unternehmensbesteuerung ab, das auch zu Lasten vieler anderer EU-Länder gehen würde. Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EUGH) empfahl am Donnerstag, Firmen die Verrechnung von Verlusten ausländischer Tochtergesellschaften mit Gewinnen im Inland zu erlauben.

Sollten die Luxemburger Richter tatsächlich das Verrechnungsverbot aufheben, könnten Konzerne, die im Ausland Miese machen, dies in der Heimat künftig steuermindernd ansetzen. In rund 80 Prozent aller Fälle folgt der EUGH dem Votum des Generalanwalts. Der Verlust für die deutsche Staatskasse ist nicht absehbar. Er hängt wesentlich davon ab, ob das Urteil rückwirkend angewandt werden muß. Experten rechnen dann mit enormen Rückforderungen großer Unternehmen.

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) befürchtet deutliche Steuermindereinnahmen, macht aber noch keine Angaben zur Höhe. "Für uns wird der Wortlaut maßgeblich sein", sagte sein Sprecher Stefan Giffeler. Das Ministerium sei aber in Bezug auf Verluste "sensibilisiert". In Koalitionskreisen war von einem Betrag "unter zehn Milliarden Euro" die Rede. Die von Länderfinanzministern befürchtete "zweistellige Milliardenverlust" sei "selbst im schlimmsten Fall einer rückwirkenden Anwendung" nicht zu erwarten. Eichels baden-württembergischer Kollege Gerhard Stratthaus (CDU) geht von dieser Größenordnung aus.

EuGH-Generalanwalt Miguel Poiares Maduro gab einer Klage des britischen Einzelhandelskonzems Marks & Spencer grundsätzlich recht. Marks & Spencer wollte Verluste von Tochtergesellschaften in Belgien, Frankreich und Deutschland in seinem Stammland Großbritannien steuerlich geltend machen. Die britischen Steuerbehörden lehnten dies mit Verweis auf ein Gesetz ab, wonach Verluste nur mit Gewinnen .des Mutterkonzerns verrechnet werden können, wenn auch die Tochter ihren Sitz in Großbritannien hat.

Nach Ansicht von Poiares Maduro ,ist diese Regelung mit EU-Recht nicht vereinbar, da sie eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstelle. Als Voraussetzung für eine steuerliche Anrechnung nannte er aber", das die Verluste der ausländischen Tochtergesellschaften im Staat ihres Sitzes nicht Gegenstand einer günstigeren steuerlichen Behandlung sein könnten". Damit wolle er der Gefahr eines "Verlusteverkehrs" auf Gemeinschaftsebene vorbeugen. Die EU-Kommission begrüßte die Stellungnahme des Generalanwalts.

Stratthaus und Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) forderten in einer Zeitung eine Angleichung des europäischen Steuerrechts. Auch Eichel plädiert dafür. Der EUGH müsse den EU-Ländern Zeit geben, das Urteil umzusetzen. "Es kann nicht sein, dass die Haushaltsplanungen der Mitgliedstaaten über Nacht Makulatur werden", so Faltlhauser.

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