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Straubinger,20.Februar2004

GASTKOMMENTAR: VIELFALT ERHALTEN!

VON DR. PETER RAMSAUER MdB, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag

Den Presseverlagen steht das Wasser bis zum Hals. Die Flut steigt weiter. Ein so rabenschwarzes Bild der Lage in der eigenen Branche wird derzeit auf den Medienseiten vieler Zeitungen gezeichnet. Vor diesem düsteren Hintergrund bleibt angeblich nur eine Alternative: Wachsen oder Untergehen.

Die Großen der Branche bieten sich selbstlos an, noch größer zu werden - und dabei alle Kleinen, die sich in ihre starken Arme flüchten, mit einem Rettungsring zu dekorieren. Der Bundeswirtschaftsminister spielt mit und hat neue Regeln für die Pressefusionskontrolle vorgeschlagen. Trotz wettbewerbswidriger Marktmacht soll jede Fusion erlaubt sein, wenn der Veräußerer oder ein unabhängiger Dritter zu einem Viertel beteiligt wird und der Erwerber der

Mehrheitsanteile sich freiwillig verpflichtet, die Unabhängigkeit der Redaktion nicht anzutasten. Auf den ersten Blick sieht das nicht besonders aufregend aus - doch bei diesem Vorschlag werden schwerwiegende Probleme deutlich, unter welchem Gesichtspunkt auch immer man ihn genauer betrachtet.

Der Clement-Vorschlag segelt unter falscher Flagge. Unter der freundlichen Tarnung, mit der Unabhängigkeit der Redaktionen vieler kleinerer Zeitungen Pluralismus und Pressefreiheit dauerhaft zu stärken, wird in Wirklichkeit der Zensur der Weg in die Presseverlage gebahnt. Die bewährte Sicherung der Meinungsvielfalt durch den Wettbewerb auch der Branchengrößen mit zahlreichen wirtschaftlich selbstständigen mittelständischen Verlagen wird aufgegeben. Neuen Mehrheitseignern werden Verbaltensverpflichtungen auferlegt, deren Einhaltung die Kartellbehörden folglich überwachen müssen. Eine staatliche Behörde hätte also künftig das Verhältnis zwischen einem Verlagshaus und der Redaktion seiner Zeitung zu überwachen. Mit Pressefreiheit hat so etwas nichts mehr zu tun!

Der Clement-Vorschlag ist eine Kehrtwende im Kartellrecht. Auf die Besonderheiten der Pressemärkte reagiert schon das geltende Wettbewerbsrecht mit abgesenkten Eingreifschwellen. Erstmals aber soll nun ein Sonderfusionsrecht für eine Branche geschaffen werden: Die Leser und die Anzeigenkunden sollen vor marktbeherrschenden Anbieterstellungen nicht mehr geschützt werden. In das Kartellrecht, den Schutzwall der freien Märkte, wird die entscheidende erste Bresche geschlagen. Andere Branchen werden die Gelegenheit nutzen, auch für sich Sonderwünsche durchzusetzen. Das ist eine ordnungspolitische Todsünde!

Der Clement Vorschlag passt maßgeschneidert zu den wirtschaftlichen Interessen der SPD. Die SPD-Medienholding "DDVG" hält überwiegend Minderheitsbeteiligungen an großen regionalen Monopolzeitungen. Sie kennt besser als jeder andere die Rolle des "unabhängigen Dritten", mit dessen Hilfe die großen Presseverlage überall zukaufen können. Günstige Konditionen werden in dieser Konstellation für die SPD leicht zu erreichen sein. Das ist der dreisteste Versuch der Selbstbegünstigung in der bundesdeutschen Gesetzgebungsgeschichte!

Die Befürworter dieses skandalösen Vorschlags drängen zur Eile. Die neuesten Zahlen aus der Werbewirtschaft für die Zeitungsverlage lesen sich nicht mehr ganz so schwarz. Die Krise könnte ausklingen, bevor sie entsprechend dem Clement-Vorschlag politisch ausgenutzt ist. Viele Zeitungen erproben Wege, sich auf die neue Herausforderung der Anzeigenmärkte im Internet einzustellen wie ihnen das auch gelungen ist, als wegen der lokalen Hörfunk und Fernsehangebote schon einmal das wirtschaftliche Ende aller mittelständischen Presseverlagshäuser verkündet worden war. Mehr Möglichkeiten zur Kooperation selbstständiger Einheiten das ist, was die Verlage wirklich brauchen. Einen pragmatischen Gesetzgebungsvorschlag dazu ist die rot-grüne Bundesregierung bisher schuldig geblieben.