Straubinger, 13.August 2005
Solarbürger oder Schildbürger?

Seit Anfang vergangenen Jahres vergeht kaum eine Woche, in der die Lokalpresse nicht in geradezu euphorischer Begeisterung über die Photovoltaiktechnik, also die Erzeugung von Strom aus Sonnenenergie berichtet. "Bürgersolaranlagen schießen im Landkreis Cham fast wie Pilze aus dem Erdboden" oder: "Auf der Sonnenseite. Solar-Boom im Landkreis: Sonnenstrom ist lukrativ". Mit der "Aktion Sonnenstrom Landkreis Cham" lasse sich überdies für Anleger auch "gutes Geld verdienen", denn die großen Energieversorgungsunternehmen - wie E.ON - seien durch das von der Bundesregierung erlassene "Erneuerbare-Energien-Gesetz" (EEG) verpflichtet, diesen Solarstrom 20 Jahre lang aufzukaufen und für jede ins Netz eingespeiste Kilowattstunde (kWh) Strom, erzeugt aus Photovoltaikmodulen, in 2005 eine Vergütung von 55 Cent zu bezahlen. Bürgersolaranlagen auf Schulhausdächern, auf Turnhallen, auf Bauhofdächern und auf Reithallen - eine Einweihungsfeier jagt die nächste, die lokale und die Landkreisprominenz geben sich die Ehre, kirchliche Segnungen eingeschlossen.

Dem unkritischen Zeitungsleser bleibt da vor Staunen der Mund offen. Und wenn schließlich im Landkreis (fast!) alles, was Rang und Namen hat, so kräftig ins Sonnenhorn bläst, was soll denn da noch falsch sein? Von den Solarhochjublern wird allerdings der wichtigste und zugleich ernüchterndste Punkt der Sache geflissentlich verharmlost: der extrem hohe Preis. 1 kWh dieses grünökologischen "Edelstroms" kostet derzeit stolze 55 Cent. 1 kwh Strom, erzeugt aus Kernkraft, kostet dagegen nur etwa zwei Cent (!). Ohne die durch die rot-grüne Bundesregierung gesetzlich verordnete Zwangsabnahme (und damit zugleich Zwangssubventionierung!) des Solarstroms durch die deutschen Stromverbraucher, hätte dieser im Wettbewerb mit herkömmlich erzeugten Stromarten deshalb auch nicht den Hauch einer Chance. Dies wäre etwa so, wie wenn ein Bäckermeister einen Laib Holzofenbrot statt für 2,50 Euro als "ÖkoBrot" für 55 Euro verkaufen wollte.

Der unkritische Bürger wird deshalb auch mit dem betörenden Slogan eingelullt: "Der Strom kommt von der Sonne - und die stellt keine Rechnung". Dafür aber stellen die Solarbürger selbst die Rechnung-, die von den großen Stromversorgern zu berappen ist. Die Zeche für den Wahnsinnspreis von derzeit 55 Cent pro kWh eingespeisten Solarstroms müssen die deutschen Endverbraucher in Form weit überhöhter Strompreise bezahlen. Deren Staatsanteil am Gesamtpreis liegt heute schon bei rund 40 Prozent (KWK-Gesetz, EEG-Gesetz, Ökosteuer, Stromsteuer, Konzessionsabgabe, Mehrwertsteuer) mit steigender Tendenz.

Unter der Schlagzeile: "steuerliche Belastung durch Ökostrom steigt" berichtet diese Zeitung am 5.4.2005, daß "zur Förderung von Ökostrom" nach Mitteilung des VDEW die privaten und industriellen Verbraucher in 2005 11,8 Milliarden Euro (!!) an Sonderabgaben zahlen müßten. Die Mehrwertsteuer sei in diesem Betrag noch nicht enthalten. Dies wird von den grünen Edelstrom-Enthusiasten und der Solarlobby wohlweislich totgeschwiegen. Sobald die 17 deutschen Kernkraftwerke, die derzeit noch 27 Prozent des Gesamtstromverbrauchs in der Bundesrepublik abdecken, abgeschaltet werden, steht dieser Billigstrom aus Kernkraft für einen Preismix zur Verrechnung mit dem extrem teuren "Edelstrom" aus Solar- und Windenergie nicht mehr zur Verfügung. Dies würde weitere kräftige Strompreiserhöhungen zur Folge haben. Aber bereits jetzt ist die Situation für die deutsche Industrie durch die höchsten Strompreise innerhalb der EU kritisch. So mußten erst vor kurzem die Hamburger Aluminiumwerke ihren Betrieb wegen der nicht mehr verkraftbaren Stromkosten schließen. Mehr als tausend Beschäftigte haben ihren Arbeitsplatz verloren. Andere Werke der Alu-Industrie stehen auf der Kippe oder wollen aus Deutschland abwandern. Weitere Tausende von Arbeitsplätzen sind gefährdet.

Gerade den CSU-Spitzen im Landkreis, die derzeit fast von einer Solardacheinweihung zur nächsten hetzen, möchte ich da die Worte ihres früheren politischen Übervaters Franz Josef Strauß in Erinnerung rufen, als dieser im 2. Kabinett Adenauer 1955/ 56 Bundesminister für Atomfragen war: "Deutschland als große Industrienation braucht genügend elektrische Energie aus heimischer Produktion zu bezahlbaren und konkurrenzfähigen Preisen. Dazu zählt auch die friedliche Nutzung der Kernenergie". Trotz aller Sonneneuphorie muß deshalb die Frage gestellt werden, ob sich der momentane Solarrummel nicht noch als folgenschwerer Schildbürgerstreich erweisen wird: Enttäuschend für die finanziellen Hoffnungen der "Solar-Gesellschafter", noch mehr aber als gravierender Nachteil für Deutschland.

Wenn den Mitgliedern der Bürgersolargesellschaften vorgerechnet wird, ihre Gesellschaftereinlage habe sich nach etwa zwölf Jahren amortisiert und danach werde "Gewinn" erzielt, so muß man da sicher ein großes Fragezeichen dahintersetzen. Auch wenn die "Solarbranche" derzeit "boomt ", weil sie (noch!) mit Hilfe gesetzlicher Zwangsabgaben der Stromverbraucher (EEG!) und hoher Finanzspritzen aus Steuermitteln künstlich wie ein riesiger Luftballon aufgeblasen worden ist und Geldanlegern gute Renditen (zu Lasten der Allgemeinheit!) verspricht, wird niemand dafür garantieren wollen, daß dieser Zustand wegen fehlender Langzeiterfahrungen über die Leistungszuverlässigkeit der Solarmodule und ein nicht vorhersehbarer Ausfall des Garantieträgers auf längere Dauer auch so bleiben wird. Wirkliche Gewinner der Sonnenstromeuphorie sind in Wahrheit nur all diejenigen, die jetzt auf dem Kamm der Solarwelle reiten und dabei die satten Gewinne einstreichen können.

Angesichts der alarmierend schlechten Gesamtlage in Deutschland ist die derzeit immer noch mit Inbrunst propagierte Solarstrom-Euphorie volkswirtschaftlich völlig unverantwortlich. Hinzu kommt die gerne verschwiegene Tatsache, daß allein in Europa im Umkreis von zweieinhalb Flugstunden ab den deutschen Grenzen sage und schreibe 190 (!!) Atomkraftwerke mit einer Leistung von 150 590 Megawatt in Betrieb und weitere zwölf neue Kernkraftwerke derzeit in Bau sind. (Quelle: Aufstellung "Kemkraftwerke der Welt" Stand: 1. 1. 2004, Herausgeber: Schweizerische Vereinigung für Atomenergie in Bern . Ob nun in Europa insgesamt 207 Atomkraftwerke in Betrieb sind oder nach Stillegung der besonders sicheren deutschen Anlagen - "nur" noch 190, verändert das atomare Restrisiko für die deutsche Bevölkerung nicht im Geringsten. Radioaktivität macht vor Deutschland nicht halt.

Herbert L an g, Oberstaatsanwalt a. D. Buchetbühler Straße 2293462 Lam

zurück