Straubinger, 17.Jan2005

Außerirdisches sieht bekannt aus

Erste Aufnahmen vom Titan - Raumfahrer sehen göttliches Wirken

Darmstadt. (dpa) Der Blick in die fremde Welt wirkt seltsam vertraut. "Das sieht doch aus wie der Anflug auf die amerikanische Westküste", entfährt es einem Besucher bei der Präsentation der ersten Bilder vom Saturnmond Titan am Samstag in der Darmstädter Raumfahrtkontrollstation ESOC. Das Foto, von der europäischen Sonde "Huygens" aus acht Kilometern Höhe aufgenommen, könnte ebenso gut von der Erde stammen: Eine Hügellandschaft, durch die sich Flüsse in Richtung Küste schlängeln und in ein ausgedehntes Meer ergießen.

Und doch ist alles anders. Bei Minus 180 Grad bestehen Meer und Flüsse nicht aus Wasser, sondern aus Methan. Ob es ölig fließt oder bereits mit Kohlenwasserstoffverbindungen zu einer matschigen Masse verklumpt ist, werden die kommenden Wochen zeigen, wenn die mehr als 150 Wissenschaftler weltweit die Daten der Sonde ausgewertet haben. Knapp 500 Megabyte, die die sechs Geräte an Bord geliefert haben, sind zu bearbeiten. Neben Fotos und Geräuschen gehören dazu Windmessungen und Analysen der Elemente auf dem Trabanten.

Wasser gibt es auch - in Form von Eis. Den Beweis hat "Huygens", der dank des weichen Untergrunds den Aufprall auf dem Titan überlebt hat, mit Bildern seines Landeplatzes geliefert. Durch die Verzerrung erscheint eine mit Steinbrocken übersäte Wüste. In Wirklichkeit sind jedoch nur wenige Meter Umfeld zu erkennen. Die Brocken erweisen sich als Eisklumpen in einer Größe von etwa 15 Zentimetern. Nach ersten Auswertungen des Spektrometers ist das gesamte Gelände orangefarben.

Die Klarheit der Bilder und Daten hat die Wissenschaftler überwältigt. Im Ringen um Worte greift ESA-Wissenschaftsdirektor David Southwood auf die Poesie zurück und zitiert sichtlich gerührt ein Gedicht von Perey Bysshe Shelley von 1816: "Then felt I like some watcher of the skies/ when a new planet swims into his ken" (Dann fühlte ich mich wie ein Beobachter der Himmel, dem ein neuer Planet erscheint). Eine solch lange Mission sei ohne überirdische Hilfe nicht zu schaffen, fügt er hinzu: "Ich danke Gott, und wenn Sie Götter haben, danken Sie ihnen auch."

Selbst bodenständige Techniker können die Präzision der Mission, die bis auf wenige Sekunden nach Plan ablief, kaum fassen. Die Instrumente an Bord von "Huygens" sind teilweise mehr als zehn Jahre alt und mussten sieben Jahre Flug überstehen. "Wir haben offensichtlich alles richtig gemacht," sagt Hans-Joachim Hoffmann, der als deutscher Projektleiter die Sonde zusammenbaute. Das große Verdienst seines Teams ist das thermische System, mit dem es gelungen ist, die Instrumente vor den großen Temperaturschwankungen von mehr als 1 000 bis minus 200 Grad zu schützen. Insgesamt waren über 1 000 Mitarbeiter aus 19 Nationen an dem Projekt beteiligt.

Die spektakuläre Mond-Landung - die erste der ESA - hat natürlich auch politische Bedeutung. Mit Gesamtkosten von knapp drei Milliarden Euro - etwa 460 Millionen Euro stammen aus Europa - gehört das Sonden-Duo "Huygens-Cassini" zu den letzten großen Missionen, für die Geld genehmigt wurde. Der Verlust des Mars-Landegeräts "Beagle 2" im vergangenen Jahr hatte die Diskussion um den Sinn solcher Forschung zusätzlich ungeheizt.

Die Astronomen hoffen, dass sich der Erfolg in barer Münze auszahlt. So werten sie es als gutes Zeichen, dass Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn, die dem ESA-Ministerrat vorsitzt, im Raumfahrtkontrollzentrum mitgefiebert hat. Allerdings ließ sie sich auch im Freudentaumel keine finanziellen Zusagen entlocken. In absehbarer Zeit wird es wohl keine weitere Reise zum Titan geben. Was danach kommt, steht in den Sternen.

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