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Telekommunikation: Kein Geld für Netzbetreiber, wenn ein Dialer sich heimlich instaiert hat

Anti-Dialer-Urteil des BGH stärkt die Rechte der Kunden

VDI nachrichten, Karisruhe, 19.3.04 –

Das Urteil des Bundesgerichtshofes im Dialer-Prozess hat wegweisenden Charakter: Telefonkunden müssen nicht für die Kosten aufkommen, die durch einen heimlich installierten Dialer entstanden sind. Damit trägt der Netzbetreiber das finanzielle Risiko, wenn ein Kunde unbeabsichtigt überteuert Internetverbindungen nutzt.

Bundesweit ist das Urteil nach Angabe von Verbraucherschützern auf tausende Fälle übertragbar. Die Beweislast bleibt allerdings weiterhin beim Kunden. Die Berliner Telefongesellschaft Berlikomm hatte im Sommer 2000 von einer Kundin rund 9000 E gefordert, deren 16-jähriger Sohn sich beim Internetsurfen eine Datei heruntergeladen hatte. Anstatt wie angekündigt die Datenübertragung zu beschleunigen, änderte das Programm die Einstellungen im DFÜ-Netzwerk, so dass ab Installation jede Einwahl über eine 0190-Nummer erfolgte. Obwohl die Datei gelöscht wurde blieben die Änderungen unbemerkt halten. Da die Berlikomm die Rechnung für den Zeitraum von Mai bis August verspätet stellte, fielen der Kundin die teuren Einwahlen nicht au£

Das Kammergericht Berlin hatte die Klage von Berlikomm zuvor bereits mit dem Hinweis abgewiesen, dass der Telekommunikationsfirma nur die Beträge zustanden, die angefallen wären, wenn die Einwahlen über die vorgesehene Standardnummer erfolgt wären. Der Bundesgerichtshof teilte im Revisionsverfahren diese Ansicht und fand, dass die Telefongesellschaft ein eigenes wirtschaftliches Interesse der Inanspruchnahme der Mehrwertdienste habe, da sie nur einen Teil des Entgelts an andere Betreiber abführen müsse (Az. 111 ZR 96/03). Sie müsse daher auch das Risiko eines solchen Missbrauchs tragen. Die Kundin habe keinen Anlass zu Schutzvorkehrungen gehabt, da der Dialer nicht bemerkt werden konnte.

Für Helga Zander-Hayat von der Verbraucherschutzzentrale Nordrhein-Westfalen steht fest: "Wer an solchen Dienstleistungen mitverdient, trägt auch die Verantwortung für die Kosten mit." Christlieb Klage, der Anwalt der Klägerin, erwartet künftig: "Die Telekommunikationsdienstleister werden in Zukunft gemeinsam mit dem Verbraucher bemüht sein, die schwarzen Schafe auszusortieren." Denn nun würden sie ja auf den Folgen der missbräuchlichen Verwendung vonMehrwertdiensten sitzen bleiben, während sie bislang vom Betrug des Verbrauchers profitiert hätten. Eine Berlikomm-Sprecherin bezeichnete das Urteil als sehr enttäuschend für die gesamte Branche". Der Netzbetreiber werde einseitig angeprangert, nicht aber der Diensteanbieter.

Patrick von Braunmühl, Leiter Fachbereich Wirtschaftsfragen des Bundesverbands Verbraucherzentrale, sieht aber noch keinen Grund für eine Entwarnung: Geschäftemacher würden mit vielfältigen Methoden die Gesetzeslücken ausnutzen, indem sie etwa auf Rufnummern ausweichen, die vom Gesetz ausgenommen sind. So wählen Dialer Auslandsrufnummern, für die die RegTP nicht zuständig ist. Dies Verbindungen werden in der Regel zu exotischen Staaten wie Guinea Bissau und Inseln wie Nauru aufgebaut, was die juristische Verfolgung stark erschwere. Auch die Reaktion auf einen per Fax oder SMS eingegangenes Gewinnversprechen" Sie haben etwas gewonnen" oder der Rückruf einer unter "entgangene Anrufe" angezeigten Rufnummer kann teure Folgen für den Nutzer haben. Bislang muss der Kunde beweisen, dass ein Betrag zu Unrecht oder überzogen in Rechnung gestellt wurde. Mit Nachdruck fordert der Bundesverband Verbraucherzentrale daher eine Verschärfung des Missbrauchsgesetzes. Kernforderungen sind die Aufnahme sämtlicher Mehrwertdiensterufnummern und die Übertragung der Beweislast auf den Diensteanbieter oder Netzbetreiber.

CHRISTIANE SCHULZKI-HADDOUTIwww.regtp.de, www.vzbv.de, www.vatm.de